Aktuelle Stunde – Leitentscheidung

Rede Rainer Thiel MdL am 01.10.2015

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

die FDP hat die heutige aktuelle Stunde zur Leitentscheidung Garzweiler II damit begründet, hier fände der „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Braunkohle statt und fabuliert gar, vom „Verzicht auf die Braunkohle“.

Das ist sehr durchschaubar und hat mit der Sache nichts zu tun. Sie malen ein Zerrbild, um es dann kritisieren zu können.
Aber wie immer, was Sie denn selber wollen, erfahren wir wiederum nicht. Sind Sie für den Erhalt von Holzweiler oder nicht? Lediglich allgemeine Auswirkungen sind ihr Thema.
An den Rahmenbedingungen der Energie- und Klimaschutzpolitik haben Sie allerdings mitgewirkt. Auch die FDP hat das Ziel 40% CO2 bis 2020 einzusparen in ihrer Regierungszeit mitgetragen, auch wenn ihr Fraktionsvorsitzender Christian Lindner sich nun davon verabschieden möchte.
Ihre Rolle im Prozess der Energiewende ist die der Kassandra, Ihr Schlachtruf lautet: „Es droht Unheil!“
Aber: Kassandra wählt man nicht.
Währenddessen hat der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet längst erklärt, eine Leitentscheidung zur Verkleinerung von Garzweiler II nicht zurücknehmen zu wollen. Damit sollte vor der Kommunalwahl 2014 die CDU-Basis in Erkelenz beruhigt werden. Außer Stilfragen zu stellen kam von der CDU weiter nichts. Das stimmt nicht ganz, ihr Braunkohlesprecher Josef Wirtz erklärte im Wirtschaftsausschuss, dass der 4. Abschnitt im Tagebau Garzweiler verzichtbar sei und Holzweiler einen Abstand zur Tagebaukante von 500 Metern brauche.
Das wäre eine erhebliche Einschränkung des Tagebaus Garzweiler. Dass passt so gar nicht zu der ansonsten vorgetragenen Empörung der CDU über die Leitentscheidung der Landesregierung.
Darin wird eine deutlich kleinere Einschränkung vorgesehen. Es geht um den Erhalt von Holzweiler, Dackweiler und den Hauer Hof.
Ich möchte daran erinnern, dass es im letzten Jahr um den dritten Abbauabschnitt ging, dass die damit verbundenen Umsiedlungen eben energiepolitisch notwendig sind. Das damit weiter verbunden ist, dass bis 2030 jährlich ca. 100 Mio. Tonnen Braunkohle gefördert werden können. Das damit Planungssicherheit und Klarheit für die Region verbunden ist. Ein „Einstieg in den Ausstieg“ liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das sieht doch wirklich anders aus.

Es geht eben nicht um den „Einstieg in den Ausstieg“! Den nämlich haben wir gerade verhindert.
Das Land NRW, Gewerkschaften, Unternehmen und demonstrierende Bergleute konnten erreichen, dass ein Strukturbruch und ein vorzeitiges Ende der Tagebaue und der Kraftwerke verhindert wurden.
Der „Baake Plan“ zur Erreichung des 40%-Ziels bis 2020 ist eben nicht der Weg für NRW. Mit der Kapazitätsreserven wird der jährlich zu erreichende Beitrag der Energiewirtschaft auch erreicht. Die Bundesregierung muss nun auch dafür sorgen, dass in Konsultationen mit der EU das auch europakonform umgesetzt wird.
Das sind die entscheidenden Rahmenbedingungen.

So werden notwendige Versorgungsicherheit und bezahlbare Energiepreise erreicht und Arbeitsplätze gesichert. Wir brauchen diese Rahmenbedingungen, die so auch eine neue Leitentscheidung ermöglichen – nämlich eine langfristige Perspektive, eine nachhaltige Perspektive für das Rheinische Revier aufzuzeigen. Das ist der Kern der Leitentscheidung.
Diese Leitentscheidung zeigt auf, dass die Braunkohleverstromung bis 2050 zwar zurückgeht, aber weiter eine wichtige Rolle spielt.
Die Leitentscheidung hat alle relevanten Prognosen und Szenarien zur zukünftigen Rolle fossiler Kraftwerke bis 2050 ausgewertet. Demnach wird Braunkohle, wenn auch in abnehmender Weise, noch benötigt.
Am langen Ende werden die Prognosen unsicherer. Wesentliche Systemvoraussetzungen für die Energiewende müssen erst noch geschaffen werden. Das heißt aber doch auch wegen der Unsicherheit: Wir brauchen Sicherheit, eben Versorgungssicherheit.
Zitat aus der Leitentscheidung:
„Mit der Abschaltung aller Kernkraftwerke ist klar, dass bis zur vollständigen Deckung des Strombedarfs durch erneuerbare Energien noch fossile Kraftwerke benötigt werden“.
Und weiter:
„Die Leitentscheidung von 1987 und 1991 haben die Braunkohle als sicheren, heimisch verfügbaren und preiswerten Rohstoff bewertet. Diese Bewertung gilt weiter. Damit bleiben Braunkohleabbau in den Tagebauen Garzweiler II, Hambach und Inden in NRW zur langfristigen Energieversorgung weiter erforderlich“. Auch mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist noch einmal bestätigt, Braunkohletagebau dient dem Allgemeinwohl.

Es geht nun um eine räumliche Begrenzung des Tagebau Garzweiler II um Holzweiler herum, es geht eben nicht um eine zeitliche Begrenzung! Tagebau wird auch im 4. Abschnitt von Garzweiler II noch stattfinden. Dann werden auch noch Umsiedlungen nötig sein. Die Hofstellen Roitzer Hof, Weyer Hof und Eggerather Hof, also die Betriebe nord-westlich von Holzweiler werden dem Tagebau wohl noch weichen müssen. Die Lage und der Umfang des Restsees am Ende des Tagebau Garzweiler wird das unvermeidbar notwendig machen. Das gehört auch zur Klarheit.

Die Landesregierung geht davon aus, dass durch veränderten energiepolitischen Rahmenbedingungen eine Umsiedlung von Holzweiler nicht mehr begründet werden kann. Um eine positive Entwicklung von Holzweiler zur gewährleisten, soll der Tagebau nur von zwei Seiten heranrücken und einen Abstand von 400 Metern gewährleisten.

Letztlich kann aus den Tagebaugeschehen ein solcher Abstand nicht begründet werden. Es geht vielmehr um einen sozialverträglichen Abstand für Holzweiler. Darum ist es unerlässlich klarzustellen, dass dieser Abstand keine Präzedenzwirkung auf die laufenden Tagebaubetriebe Garzweiler sowie Hambach und Inden hat und auch nicht haben darf. Die Rahmenbetriebspläne gelten da unverändert weiter. Für andere Themen, wie eine direkte Verbindung von Holzweiler an Kückoven und Erkelenz ist letztlich die Lage des Restsees entscheidend. Dieser soll westlich von der neu zu errichtenden A 61 liegen. Restsee klingt ein wenig niedlich, aber es entsteht dort einmal ein 22km² großer See. Das ist nicht trivial, dass muss sehr sorgfältig gemacht werden. So ein See kann nicht mal eben hin und her schoben werden. Es sind hohe fachliche Anforderungen zu erfüllen, damit so ein großer See ökologisch funktioniert. Das dauert Jahrzehnte und gilt für die Ewigkeit. Wir haben hier eine Ewigkeitsverpflichtung, das für die ganze Region gut zu machen.

Es soll ein zusammenhängender See entstehen, in kompakter Form mit möglichst großer Tiefe.
Das bestimmt letztlich, welche Straßenführungen wie möglich sind. Die A 61 ist eine Bundesautobahn, die zeitweilig unterbrochen wird und danach, wie jetzt die A41, wiederhergestellt werden muss. Da kommt noch viel Arbeit auf den Braunkohleausschuss zu. Da liegt noch viel Arbeit im Detail.
Wir begrüßen, dass die Leitentscheidung klarstellt, dass das Land den Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter begleiten wird. Dazu werden die Mittel der Geschäftsstelle der IRR um 250.000€ erhöht und auf 500.000€ verdoppelt.
Gleichzeitig werden die Verfügungsermächtigungen verdreifacht, auf 450.000€. Damit ist gewährleistet, dass Projekte für den Strukturwandel finanziert werden können. Allerdings haben die CDU-Landräte ihre Beiträge gekürzt! Sie haben eine Aufstockung des RWE von 70.000€ genutzt, ihre Mittel entsprechend zu kürzen! Solidarität mit der Region sieht anders aus!

Wir begrüßen auch, dass die Landesregierung den Rohstoff Braunkohle bei der Entwicklungsperspektive für das Rheinische Revier berücksichtigt. Hier wird ein Ergebnis der Enquetekommission zur Zukunft der Chemischen Industrie in NRW aufgenommen. Die stoffliche Nutzung der Braunkohle. Die Landesregierung prüft die Schaffung eines Lehrstuhls und die Förderung einer Demonstrationsanlage. Eine Rohstoffoption für unsere chemische Industrie wird gesichert.

Die Leitentscheidung wird nun erläutert. Eine öffentliche Online-Konsultation bietet die Möglichkeit zur Beteiligung. Bringen Sie ihre Anregungen sachlich fundiert ein. Das ist besser als hier im Landtag immer wieder nur Empörung zu inszenieren.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Persönliche Bemerkung am Ende der Rede:
Den Menschen in Holzweiler wird geholfen, ihren Ort lebenswert zu erhalten. Die Arbeitnehmer im Tagebau und in den Kraftwerken sorgen für Versorgungssicherheit und dienen dem Allgemeinwohl. Das verdient unsere Anerkennung.