Stahlstandort NRW sichern – strategische Industrie für die Wirtschaft von mor-gen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen

I. Hintergrund
Die Stahlindustrie in Deutschland ist für leistungsfähige Wertschöpfungsnetzwerke für viele andere Wirtschaftsbereiche wie die Automobilindustrie, die Windkraftwerkproduktion oder die Bauindustrie und damit für die Wirtschaftskraft insgesamt von zentraler Bedeutung. Sie ist notwendig und unverzichtbar zur Sicherung der Leistungs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Industrie. Der Erhalt und die Weiterentwicklung einer modernen Stahlindustrie, die Arbeitsplätze sichert und gute Arbeit schafft und hochwertige Werkstoffe für unsere Wirtschaft produziert, muss daher das Ziel nordrhein-westfälischer Wirtschaftspolitik sein.

Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Stahlland. In Nordrhein-Westfalen werden jährlich rund 16,5 Millionen Tonnen Rohstahl hergestellt. Das sind 38 Prozent der Produktion in Deutschland. In der NRW-Stahlindustrie sind 47.600 Menschen beschäftigt. Dies entspricht 56 Prozent der Stahlbelegschaften in Deutschland.

Die aktuellen Entwicklungen auf den europäischen Stahlmärkten setzen unsere Industrie stark unter Druck. Zum einen drücken weltweite Überkapazitäten insbesondere durch die künstlich hoch gehaltene Produktion in China die Preise für Stahlprodukte. Zum anderen muss die Stahlindustrie selbstverständlich auch ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dies gilt auch vor dem Hintergrund des Wettbewerbs mit anderen Weltregionen, in denen CO2-Emissionen noch keinen Preis haben.
Vor diesem Hintergrund sollten die neuen Bestimmungen zum Europäischen Emissionshandel Energieeffizienz und Modernisierung anreizen, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu gefährden. Es gilt Produkte zu entwickeln, die dazu beitragen, dass dieser Weg technisch und wirtschaftlich darstellbar ist. Dazu zählen Erneuerbare-Energie-Anlagen und Umwelttechnologien, wie z.B. Windkraftanlagen, für die sich ein zunehmend wichtigerer Absatzmarkt entwickelt.

Gleichzeitig müssen weltweit Handelsbeziehungen auch im Stahlbereich so gestaltet werden, dass Klimaschutz und gute Arbeit auf Dauer sicher gestellt sind. Mit Innovationen, Investitionen in Forschung und Entwicklung und der hohen Qualifikation der Beschäftigten ist die Stahlindustrie in NRW und in Europa aufgerufen, sich einem Qualitätswettbewerb zu stellen. Vieles wird hier schon geleistet, weitere Anstrengungen sind aber notwendig. Zeitgleich muss sich die Politik in NRW, Deutschland und Europa weiterhin für faire Wettbewerbsbedingungen für die Stahlindustrie auf den weltweiten Märkten einsetzen.

Auf einer gemeinsamen Kundgebung haben Beschäftigte, Unternehmen und Politik am 11. April 2016 in Duisburg deutlich gemacht, dass der Stahlstandort NRW eine Zukunft haben muss. Dem Anliegen der Beschäftigten und ihrer Familien sowie der Unternehmen zur Sicherung von guter Arbeit, zunehmend klimafreundlicher Stahlindustrie und der Sicherung leistungsfähiger Wertschöpfungsnetzwerke in NRW schließen wir uns an.

II. Der Landtag stellt fest,

  • dass Tausende von Arbeitsplätzen in der deutschen und europäischen Stahlindustrie aktuell in Gefahr sind. Einerseits bestehen auf den internationalen Stahlmärkten, insbesondere in China, massive Überkapazitäten, mit der Folge, dass chinesische Stahlprodukte zu sehr niedrigen und gedumpten Preisen in den EU-Markt drängen. Andererseits dürfen die Reform des Treibhausgas-Emissionshandels und veränderte energiepolitische Rahmenbedingungen auf europäischer und nationaler Ebene nicht dazu führen, dass besonders effiziente Stahlwerke mit zusätzlichen Kosten belastet werden.
  • dass es gemeinsames Ziel der Landespolitik ist, die CO2-Emissionen im Sinne des Klimaschutzgesetzes NRW zu senken. Es muss einen gleitenden Übergang zu einer CO2-armen Industrie geben, den die Partner mit Innovation und Kreativität unterstützen. Die Energieversorgung in Deutschland muss sicher, sauber und bezahlbar sein.

III. Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

  • sich insbesondere für eine europäische Außenhandelspolitik einzusetzen, die der beschriebenen Dumping-Strategie der chinesischen Stahlproduzenten wirkungsvoll begegnet. Wenn miserable Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und mangelhafte Umweltstandards in Verbindung mit subventionierten Finanzierungsmöglichkeiten für chinesische Unternehmen Preisvorteile auf dem Weltmarkt bedeuten, ist weder den Menschen noch der Umwelt gedient. Diesem unfairen und ruinösen Wettbewerb muss die EU durch Maßnahmen wie den derzeit erhobenen Strafzöllen und durch eine kritische Prüfung der Frage der Anerkennung Chinas als Marktwirtschaft im Rahmen der WTO entgegentreten.
  • sich mit Nachdruck in Berlin und Brüssel für den Erhalt einer starken Stahlindustrie einzusetzen. Nur eine wettbewerbsfähige Stahlindustrie kann sich substanzerhaltende und zukunftssichernde Investitionen sowie eine nachhaltige Forschung und Entwicklung leisten. Anders wird es nicht möglich sein, dass die Stahlindustrie auch in Zukunft ein Treiber für Innovationen bleibt. Nur so können die hochwertigen Arbeitsplätze in der deutschen Stahlindustrie für die Zukunft nachhaltig gesichert und der Wohlstand unseres Landes weiter gewährleistet werden.
  • sich nachdrücklich dafür einzusetzen, dass die angestrebten und notwendigen Klimaschutz-Maßnahmen Carbon-Leakage vermeiden. Besonders effiziente Stahlwerke dürfen durch den Emissionsrechtehandel nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden. Insbesondere die Benchmarks müssen abhängig vom technologischen Fortschritt so festgelegt werden, dass diese technisch und wirtschaftlich erreicht werden können. Insbesondere sollte die erst für 2019 vorgesehene sog. Carbon-Leakage-Liste, mit der Ausnahmebranchen für den Emissionszertifikatehandel festgelegt werden, bereits 2017 vorgelegt werden, um frühzeitig sichere Rahmenbedingungen für die Stahlindustrie zu schaffen. Zudem ist sicherzustellen, dass CO2-Emissionen, die bei der Verstromung von Restprodukten (u.a. Kuppelgasen) entstehen, vollumfänglich kostenlos allokiert werden.
    Dabei müssen auch die Vorprodukte einbezogen werden. Weiterhin müssen die indirekten Kosten kompensiert werden.

Unterzeichnet von den Spitzen beider Fraktionen.