Fact-Sheet: Energiewende und Windkraft

Der Deutsche Arbeitgeber Verband e.V. hat im letzten Jahr ein Interview mit mir geführt. Dabei ging es um die Energiewende, den Ausbau von Windkraftanlagen und insbesondere um die Planung von Windflächen im Raum Grevenbroich. Von Seiten der Bürgerinnen und Bürger gab es dazu einige Anmerkungen und Rückfragen zu einzelnen Aussagen von mir, die ich gerne mit dem folgenden Fact-Sheet beantworten möchte:

Übersicht

In Deutschland gibt es fertige Windparks, die nicht ans Netz angeschlossen sind.

Erst vor kurzer Zeit gingen an der Nord- und Ostsee zahlreiche Windparks ans Netz. In der guten Nachricht verbirgt sich ein großes Ärgernis: „Denn 297 der 546 neu angeschlossenen Anlagen – also mehr als die Hälfte der Windmühlen – hätten schon bis zu zwei Jahre lang Strom produzieren können. Sie wurden nämlich schon 2013 und 2014 in Nord- und Ostsee gebaut, mussten aber bis 2015 warten, bis sie endlich ans Netz angeschlossen wurden.“ (ingenieur.de, 19.01.2016) Zwischenzeitlicher Tiefpunkt: Der Windpark „Riffgat“, der bei der Eröffnung 2013 nicht ans Netz angeschlossen war und dessen Anlagen mit „22.000 Liter Diesel pro Monat“ angetrieben werden mussten, um nicht zu verrosten (Focus online, 09.08.2013). Gleicher Windpark stand wegen eines Kabeldefekts Anfang des letzten Jahres erneut still. Während der Reparatur entgingen dem Betreiber EWE „sieben Millionen Euro pro Monat“. „Über die Netzentgelte müssen dafür aber letztlich die Stromkunden aufkommen.“ (NDR, 03.02.2016). Kein Einzelfall, denn „technische Probleme an den komplexen Offshore-Windparks und ihrer Anbindung haben mehrfach Probleme und Millionenverluste durch hohe Ausfallkosten verursacht.“ (NWZ online, 22.06.2016). In den ersten drei Quartalen des Jahres 2015 hatten die Betreiber von Windkraftanlagen auf See einen Entschädigungsanspruch von über 200 Millionen Euro. Das geht aus einem Bericht der Bundesnetzagentur hervor. „Auch für Ökostrom, der nicht produziert wurde, müssen die Verbraucher immer mehr Geld bezahlen“ schreibt Die Welt unter dem Titel „Stromkunden zahlen Millionen für Phantom-Energie“ (11.11.2015). Ergo: Auch wenn die Startprobleme beseitigt wurden, bleibt die Energieform Offshore-Windkraft teuer und anfällig für Probleme.

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Windkraft ist eine hoch-subventionierte Energieform.

In puncto Offshore-Windenergie titelt das Handelsblatt sogar mit „Die nächste Subventionsruine“ (Handelsblatt, 09.06.2016). Der Titel ist ein Zitat von Manuel Frondel, Energieexperte am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung. Laut ihm erreicht Offshore-Windkraft „mangels Nord-Süd-Leitungen“ kaum jemanden und birgt „extrem hohe volkswirtschaftliche Risiken“. Wie im vorherigen Punkt bereits erwähnt, kommen die Stromkunden auch für Ökostrom auf, der nicht produziert wurde bzw. werden konnte – wegen des hinterherhinkenden Netzausbaus. Über 200 Millionen Euro an Entschädigungsanspruch stellte die Bundesnetzagentur für die ersten drei Quartale 2015 fest. Trotzdem soll der Ausbau weiter vorangehen, deren Quote Verbraucherschützer wie Niels Schnoor „viel zu hoch“ halten. Der Energieexperte von der Verbraucherzentrale Bundesverband erklärt im erwähnten Handelsblatt-Artikel:

„Schließlich müssten bis 2025 erst einmal jede Menge teure Anlagen gebaut werden, die die Stromkunden 20 Jahre lang bezahlen müssen“, so Schnoor. Es sei „inakzeptabel“, dass die Betreiber von Offshore-Windmühlen weiterhin „vollkommen überzogene Gewinne kassieren dürfen“.“

Mit der letzten EEG-Reform hat die Bundesregierung die Ausbaukapazitäten reduziert. „In der Nordsee gebe es nicht genug Leitungen, um den Strom an Land zu bringen, begründet die Große Koalition in Berlin die Veränderungen.“ (NDR, 09.07.2016) Diese Reform wird von den Offshore-Parkbetreibern natürlich stark kritisiert …

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Anlagenbetreiber im Bereich der Erneuerbaren Energien erhalten Geld, ohne tatsächlich zu liefern.

Wie dem bereits zitierten Bericht der Bundesnetzagentur zu entnehmen ist, haben die Stromkunden für insgesamt 2.700 Gigawattstunde (GWh) nicht erhaltene Leistung rund 280 Millionen Euro gezahlt (1. bis 3. Quartal 2015). Eine GWh sind 1.000.000 Kilowattstunden (KWh). Eine vierköpfige Familie verbraucht pro Jahr etwa 4.000 KWh. Um es etwas greifbarer zu machen: Die Ausfallarbeit, so heißt Strom, der bezahlt aber nicht geliefert wird, ist so hoch als hätten 675.000 vierköpfige Familien quasi für ein Jahr Strom bezahlt, ohne ihn zu erhalten.

Das Gutachten des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE) hat errechnet, dass „bis zum Oktober 2015 (…) 1,5 Milliarden Euro für die Offshore-Haftungsumlage von den Letztverbrauchern aufgebracht“ wurden. Zwar sind die Windparks mittlerweile angeschlossen, doch steht ein weiteres Problem an:

Die Netzentgelte steigen – wie erst kürzlich angekündigt – zum Jahreswechsel 2016/2017. Der Grund ist einfach erklärt: Stromanbieter im Norden können ihre Kunden im Süden der Republik wegen fehlender Leitungen nicht beliefern. Die Folge: (Dritt-)Kraftwerke in der Nähe des Kunden müssen hochgefahren werden. Dieses sogenannte „Re-Dispatch“, was ich im Laufe des Textes noch näher erläutern werde, „schlägt deutschlandweit bereits mit Kosten von einer Milliarde Euro zu Buche“ (Welt, 23.09.2016), wie auch Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomik (DICE) für den Zeitraum 2008 bis 2015 ermittelt hat.

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Erneuerbare Energien tragen keine „Systemverantwortung“. Diese wird durch konventionelle Kraftwerke (Braunkohle usw.) wahrgenommen.

Anfang September gab ich unter dem Titel „Speichertechnologien werden die Energiewende entscheiden“ eine Pressemitteilung heraus. Wir sind es gewohnt, Strom rund um die Uhr zur unserer Verfügung zu haben, damit der Wecker uns morgens weckt, wir mittags kochen und abends unsere Lieblingsserie streamen können. Unsere Industrie braucht rund um die Uhr Strom, damit komplexe chemische Prozesse gelingen, die Produktion diverser Güter läuft und die gesamte Logistik funktioniert. Fällt der Strom zu Hause aus, ist das ein großes Ärgernis. Fällt er für unserer Wirtschaft aus, ist das mit großen volkswirtschaftlichen Schäden in Millionen- wenn nicht gar Milliardenhöhe verbunden – die Gefährdung von Arbeitsplätzen inklusive. Doch können erneuerbare Energien zum jetzigen Stand keine 24-stündige Versorgung gewährleisten, denn nachts und bei Windstille tut sich bei Windkraft- und Photovoltaikanlagen nichts. Die Lösung wären effiziente Energiespeicher, die es schaffen, über einen längeren Zeitraum ganze Fabriken sowie (Groß-)Städte zu versorgen. Bis dahin sind wir auf grundlastfähige Energieerzeugungsformen – bspw. die Braunkohle – angewiesen.

Mangels Speichertechnologien können wir einen Teil der Produktion aus Erneuerbaren Energien nicht nutzen.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie stellt fest:

Energiespeicher sind ein wichtiges Thema für eine überwiegend auf erneuerbaren Energien basierende Energieversorgung. Sie sind perspektivisch notwendig, aber heute noch meist teuer und teilweise im Entwicklungsstadium.

Batteriespeicher sind für eine längerfristige Speicherung nicht geeignet – die reichen fürs Handy oder Notebook, ggf. als Ergänzung fürs Eigenheim als Nachtreserve. Bleiben derzeit Pumpspeicher, Druckluftspeicher und Power-to-Gas. Was sagt das Bundesministerium zu den einzelnen Speichertechnologien?

Pumpspeicherkraftwerke sind technisch ausgereift und in Deutschland derzeit die einzige in nennenswertem Umfang nutzbare Speichertechnik.

Die Technik ist nicht neu: Das Pumpspeicherwerk Hohenwarte II (mdr, 22.09.16) feierte dieses Jahr sein 60. Jubiläum. Es hat eine Leistung von 320 Megawatt (320.000 KWh), was aufs Jahr gerechnet für 80 vierköpfige Familien reicht. Wer sich den mdr-Artikel dazu durchliest und sich die Bilder anschaut, sieht, wie groß dieses Speicherkraftwerk ist. Es erreicht riesige Dimensionen und erfordert bestimmte topografische Verhältnisse, kann also nicht überall gebaut werden.

Im Fazit des Ministeriums im Rahmen der Studie „Eignung von Speichertechnologien zum Erhalt der Systemsicherheit“ (März 2013) heißt es abschließend:

Pumpspeicherwerke lassen sich unter gewissen Rahmenbedingungen wirtschaftlich betreiben, jedoch ist wenig weiteres Ausbaupotential vorhanden.

Druckluftspeicher funktionieren in etwa wie Pumpspeicherkraftwerke, nur dass anstatt Wasser Luft bspw. in unterirdische Salzstöcke gepumpt wird, die bei Bedarf durch eine Turbine wieder abfließt, um Strom zu erzeugen. Die Kapazitäten verhalten sich dabei ähnlich, wie bei Pumpspeicherkraftwerke. Eine solche Anlage gibt es seit 1978 in Elsfleth-Huntorf in Niedersachsen. Neben dem 1991 in McIntosh (USA) errichteten Speicher, ist es die einzige industriell genutzte Großspeicheranlage.

Als noch nicht ganz ausgereift, bewertet das Ministerium die Technologie:

Sie besitzen jedoch einen relativ schlechten Wirkungsgrad von etwa 50 %; adiabate Speicher oder Speicher mit zusätzlichem Wärmespeichers zur Erhöhung des Wirkungsgrades auf 70 % befinden sich noch im Forschungsstadium.

(Studie, März 2013)

Bleibt noch Power to Gas. Wie die Bezeichnung schon aussagt, wird hier Strom zu Gas umgewandelt, im bestehenden Gasnetz „gelagert“ und bei Bedarf wieder in Strom rückverwandelt. Das Urteil des Ministeriums zu dieser Technologie: „Die Technologie ist derzeit noch teuer und die Wirkungsgrade gering.“

Ergo: Ausreichend dimensionierte und wirtschaftlich zu betreibende Speichertechnologien gibt es derzeit nicht. Sie müssen noch entwickelt werden.

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Durch Energiewende, EEG und Co. entsteht für unsere Industrie ein Wettbewerbsnachteil auf europäischer und internationaler Ebene.

Der Energiewende-Index von McKinsey bietet alle sechs Monate einen Überblick über den Stand der deutschen Energiewende. Darin wird im Bereich „Wirtschaftlichkeit“ der „Industriestrompreis“ betrachtet. Das im Zuge der Energiewende formulierte Ziel lautet, im Preis nicht mehr als 8,5% vom EU-Durchschnitt abzuweichen (vgl. McKinsey-Index). In Wirklichkeit liegt die Preisabweichung mit über 17% doppelt so hoch – Tendenz steigend. Die Zielumsetzung ist laut McKinsey „unrealistisch“.

Um wettbewerbfähig bleiben zu können, werden besonders stromintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Industriezweige bzw. Unternehmen (z.T.) von der Zahlung der EEG-Umlage befreit. Dafür müssen jedoch besondere Anforderungen erfüllt werden. Wer vom „EEG-Rabatt“ profitiert, ist in Anlage 4 des aktuell gültigen EEG nachzulesen. Im Rhein-Kreis Neuss sind das u.a. der Chempark in Dormagen sowie Hydro Aluminium in Grevenbroich, die ansonsten in ihrer Existenz bedroht wären – Zehntausende Arbeitsplätze und ganze Wertschöpfungsketten ebenfalls.

Natürlich sind fossile Energieträger endlich, doch anstatt sich in einen Wettbewerb über einen immer früheren Ausstieg zu begeben, muss die Relevanz als Brückentechnologie anerkannt werden. Fossile Energieträger – gerade die Braunkohle – sorgen für Versorgungssicherheit und wirtschaftliche Stabilität.

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Die Endkunden finanzieren die Energiewende durch hohe Energiepreise.

Jedem sind die Medienmeldungen bekannt: x-hundert Stromanbieter erhöhen die Preise und kurz darauf bekommt man Post von seinem Versorger. Der Eindruck lässt sich auch mit Fakten belegen: Laut McKinsey Energiewende-Index zahlen deutsche Endverbraucher die zweithöchsten Preise hinter Dänemark. Mit einem Durchschnitt von 29,4 €-Cent/KWh liegt der dt. Preis deutlich über den EU-Schnitt von 20,7 €-Cent/KWh.

Zudem haben die Produzenten erneuerbarer Energien garantierte Abnahmepreise für ihren Strom. Das regelt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit der EEG-Umlage. Die Kurzdefinition: Die „EEG-Umlage deckt Differenzkosten aus Vergütung für erneuerbare Energien nach EEG und deren Verkaufserlös am Markt ab.“ (McKinsey) Da der Marktpreis – derzeit und schon länger – unter der garantierten Vergütung liegt, müssen Kundinnen und Kunden über die EEG für die Erneuerbaren Energien draufzahlen – und umso günstiger der Strom an der Energiebörse wird, umso höher steigt die EEG-Umlage. Diese Kosten geben die Erzeuger direkt an den Endkunden weiter. Der Umfang der so gezahlten Subventionen für erneuerbare Energien beläuft sich so auf „fast 25 Milliarden Euro pro Jahr. (…) Ein durchschnittlicher Drei-Personen-Haushalt mit einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr zahlt derzeit rund 29 Cent pro Kilowattstunde, davon 6,3 Cent allein für die EEG-Umlage.“ (Welt, 23.09.2016)

Konkreter wurden die Kosten der Energiewende auf Basis einer kürzlich veröffentlichten Studie benannt: „Energiewende kostet die Bürger 520.000.000.000 Euro – erstmal“ – oder anders ausgedrückt: „Eine vierköpfige Familie zahlt somit direkt und indirekt über 25.000 Euro für die Energiewende.“ (Welt, 11.10.2016).

Der nächste „Preisschock“ kündigt sich ferner bereits an: „Es fehlen Leitungen für „grüne“ Energie. Deshalb müssen die Netzbetreiber improvisieren. Folge: Gebühren steigen kräftig“ (Welt, 23.09.2016). Die Gründe sind vielfältig – die Kurzform: Der hinterherhinkende Netzausbau ist schuld. Stromanbieter im Norden können ihre Kunden im Süden nicht beliefern. Die Folge: (Dritt-)Kraftwerke in der Nähe des Kunden müssen hochgefahren werden.

Die Organisation solcher Ersatzstrom-Lieferungen, in der Branche auch „Re-Dispatch“ genannt, schlägt deutschlandweit bereits mit Kosten von einer Milliarde Euro zu Buche und hat sich damit zu einem der großen Kostentreiber der Energiewende entwickelt. (Welt, 23.09.2016)

Anfang des nächsten Jahres heißt es daher wieder: Die Strompreise steigen (Focus, 26.09.2016).

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Die erneuerbaren Energien haben noch kein CO2 eingespart.

Obwohl der Anteil der erneuerbaren Energien rund 30% beträgt, ist trotzdem noch keine CO2-Einsparung erfolgt. Hier geht es darum, dass wir zwei Systeme haben:

  • Konventionell zur sicheren und bezahlbaren Versorgung,
  • Erneuerbare Energien, die Wind- und Solarenergie produzieren.

Nicht das Hochfahren der erneuerbaren Energien bringt die Einsparung, sondern der Abbau konventioneller Erzeugung. Das Problem: Die erneuerbaren Energien können keine vor allem für die Industrie notwendige Systemstabilität leisten und zudem gibt es – wie bereits erwähnt – keine zuverlässige Speicherung.

Um das 40%-Ziel der Bundesregierung noch zu erreichen, müssten die CO2e-Emissionen bis 2020 jährlich um 3,5% sinken. Seit 2000 gingen sie jedoch in Deutschland jährlich im Schnitt nur um ca. 0,7% zurück, trotz des erheblichen Ausbaus der erneuerbaren Energien. Der jährliche Rückgang von CO2-Emissionen müsste sich also um den Faktor fünf erhöhen. (McKinsey)

Laut Bundesumweltamt stiegen die Emissionen zwischen 2014 und 2015 „um sechs Mio. t auf 908 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalente, das entspricht 0,7 %.“ Dabei sollen „hohe Stromexporte, eine im Vergleich zum Vorjahr kühlere Witterung und günstigere Kraftstoffpreise (…) zu einem leichten Anstieg der Treibhausgas-Emissionen geführt“ haben. Das zeigt, dass alle Bereiche, also auch Wohnen, Mobilität, Landwirtschaft und Co. stärker in den Fokus gerückt werden müssen und nicht nur der Energiesektor mit dem vermeintlichen „Schwarzen Peter“ Braunkohle in den Fokus rücken darf.

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Alle Quellen in der Übersicht:

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