„Digitalisierung als Chance für mehr Demokratie in der Energiewende“

Meine Rede zum Tagesordnungspunkt 8 im Landtagsplenum am 5. Oktober 2016

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

zum Antrag der Piraten sind eine Menge offener Fragen zu klären:

  • Welchen Beitrag können sogenannte „Prosumer“ tatsächlich leisten?
  • Welche technischen Voraussetzungen sind notwendig und wann stehen diese tatsächlich zur Verfügung?
  • Was sind die wirtschaftlichen und was sind die gesellschaftlichen Kosten?

Es gibt zurzeit keine verlässlichen Aussagen.

  • Zu welchem Zeitpunkt und welchem Umfang sind welche Flexi-Optionen im Energiemarkt sinnvoll und auch verfügbar.

Es ist weiter zu beachten, das Lastenmanagement, und darum geht es hier weitestgehend, im Wettbewerb mit anderen Flexibilisierungsoptionen steht, die teilweise günstiger und leichter umzusetzen sind.

Beim Sektor Haushalte haben wir es typischerweise mit einer großen Akteursvielfalt mit eher kleinerem Stromverbrauch zu tun. Wieweit sind hier Lastverschiebungspotentiale tatsächlich erschließbar, die z.B. Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspüler, Nachtstromspeicher und vieles mehr bieten?

Müssen denn Eigenenergieanlagen incl. Energiespeicher durch zeitvariable Tarife gefördert werden, die darauf abzielen, diese „Prosumer“ von den Netzentgelten zu befreien.

Was wir nicht wollen ist eine weitere umlagengeförderte Markteinführung z.B. von noch nicht ausgereiften Stromspeichertechnologien. Denn das sehen wir ja beim EEG, das haben die Stromkunden dann insgesamt Jahrzehnte als Kostenposten auf der Stromrechnung.

Batteriespeicher in der Sekundenreserve sind bereits Stand der Technik und wegen der Spannungsschwankungen der Einspeisung der erneuerbaren Energien auch weitgehend wirtschaftlich, aber auch nur wegen der Wirkmechanismen des EEG.
Für leistungsfähige Großspeichertechnologien brauchen wir noch intensive Forschungs- und Entwicklungsarbeit, bis diese technisch darstellbar und wirtschaftlich bezahlbar werden. Darum eher in Forschung und Entwicklung investieren als weitere Umverteilung durch immer neue Anreizsysteme in Gang zu setzen.
Die Piraten wollen in ihrem Antrag, dass „jeder Bürger die Freiheit hat, sich an der Energiewende zu beteiligen“.

Wie sieht das denn tatsächlich aus?
Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Energiewende findet vorrangig auf der Stromrechnung statt.
So sieht´s aus!

Und zwar in Form der zweithöchsten Strompreise in Europa: 29,4 € Cent/KWh im Durchschnitt.
Das sind ca. 1050 € im Jahr für eine drei köpfige Familie bei ca. 3.500 KWh Verbrauch. Nur fürs EEG macht das alleine 230 € jährlich für eine Familie aus. Tendenz steigend. Dazu kommen dann noch Netzkosten von ca. 190 €!

Wenn nun weitere Anreize geschaffen werden sollen, um z.B. technische Hilfsmittel attraktiver zu machen, damit z.B. private Solaranlagenbesitzer sich „netzdienlich in das Energiesystem integrieren“, dann hat das zur Folge, dass für alle anderen auf der Stromrechnung die Posten „Netznutzung“ und „Umlage für abschaltbare Lasten“ größer werden.

Es sollen weiter aber auch Investitionen „angereizt“ werden und neue Fördertatbestände aufgebaut werden, weil eine Wirtschaftlichkeit oder Marktfähigkeit technischer Lösungen insbesondere bei kleinem Marktsegmente sonst nicht erreicht werden kann. Nun ist nicht jeder Anreiz oder jede Förderung per se schlecht. Aber hier gilt es doch sehr genau auf die soziale Seite der Medaille zu achten. Wer bestellt die Musik und wer bezahlt sie?

Insgesamt werden mehr als 25 Mrd. € jährlich nur für die Förderung von Wind- und Solarenergie in Rechnung gestellt. Weitere Kosten der Energiewende in Milliardenhöhe kommen noch dazu. Eine gewaltige Subventionierung mit einem gewaltigen Umverteilungseffekt.
Letztlich ist diese Frage meines Erachtens für die langfristige Akzeptanz der Energiewende wichtiger als immer neue Anreizsysteme zu erfinden, damit Dinge oder Tatbestände wirtschaftlich gemacht werden, die sonst einfach zu teuer sind.

Natürlich ist NRW für Lastenmanagementstrategien hervorragend geeignet, gerade als Industrieland mit einem starken Anteil energieintensiver Betriebe. Natürlich findet hier auch schon viel zu diesem Thema statt. Forschung und Entwicklung, z.B. beim „Kopernikusprojekt der Energiewende“ oder „KMU Innovativ“ mit Förderprogrammen des Landes.

Auch beim Thema „Virtuelle Kraftwerke“ gibt es umsetzungsorientierte Forschungsprojekte und einen intensiven Austausch des Wissens und der Erkenntnisse. „Innovation City“ in Bottrop ist erfolgreich unterwegs, vor allem bei Quartierskonzepten zur Energiewende, inklusive Quartierspeichersysteme.

Auch und gerade beim Thema Digitalisierung im Sektor private Haushalte gibt es weiter offene Fragen:

  • Wollen die privaten Verbraucher eine Offenlegung ihres Verbraucherverhaltens?
  • Was ist mit Datenschutz?
  • Akzeptieren Verbraucher eine Fremdsteuerung ihrer Verbrauchsgeräte?
  • Besteht letztlich ein ausgewogenes Kosten/Nutzen-Verhältnis?

Also noch viele offene Fragen.
Daher ist es gut, dass im Fachausschuss weiterberaten wird.

Wir stimmen einer Überweisung zu.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.